Füße Hoch!
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Ich liebe Zugfahren, ich würde mich eigentlich nicht als guten Beobachter beschreiben aber ein geheimes Hobby von mir ist es doch im Zug zu sitzen und die verschiedensten Individuen kritisch zu beäugen und möglichst viel aus ihrem Auftreten und Konversationen herauszufinden und zu erraten wo sie herkommen, wo sie hinwollen und so weiter.
Wenn ich nicht gerade am Handy bin, natürlich.
In den seltenen Momenten, wo ich dann im Zug doch gerade mal etwas lesen will, fällt es mir besonders schwer gerade Konversationen von anderen Menschen zu überhöhren.
Und aus irgendwelchen mythischen Gründen sind es gerade wenn man lesen will die interessantesten Gespräche, über die man stolpert..
Wenn man viel pendelt oder einmal in der Berliner U-Bahn gefahren ist, hat man gefühlt alles schon mal gesehen, gehört oder gerochen.
Ab und zu geht es dann aber doch um einen selbst, und dann wird man natürlich sehr schnell sehr hellhörig.
Aus unbekannten Gründen hat sich mir eine Begegnung im Zug besonders eingebrannt.
Auf einer Zugfahrt habe ich 4 ältere Menschen mal so richtig provoziert.
Ich hatte es nämlich gewagt, meine Füße hochzulegen.
Und das war ein großer Skandal, zumindest für eine Reisegruppe von 4 älteren Menschen, die schräg gegenüber von uns saßen.
Wahrscheinlich nicht unabsichtlich leise aber doch auch irgendwie laut echauffierend wurde sich aufgeregt, dass ich meine Schuhe doch noch anhätte und doch noch irgendwann Andere dort sitzen wollen würden.
Als ich das hörte war ich überraschend provoziert, in meinem Kopf drehten sich die möglichen Antwortoptionen auf diese Situation.
Aber aus irgendwelchen Gründen blieb mein Kopf bei einem Gedanken stehen:
Wie konnte sich der Mann sicher sein, das der Stuhl besser mit meinen Socken davongekommen wäre?
Ich war doch fasziniert, stoppte mental bei diesem einen Gedanken:
Warum war sich dieser alte Herr so verdammt sicher was die richtige Art ist seine Füße hochzulegen?
Ich stellte fest, seit langem wieder einem Individuum begegnet zu sein, das mich mit seinem ungefragten „besserwissen“ beehrte und das auf eine doch höchst unhöfliche Art und Weise.
Ich stellte schnell fest, wie mich dieser Gedanke noch mehr triggerte, da er mich sehr an die verschiedenste Politischen Probleme dieser Welt erinnerte.
Gerne hätte ich auch passiv aggressiv leise zu meiner Sitznachbarin gesagt: Hast du die da gesehen, die könnten Mal ihren Fußabdruck von unserem Planeten entfernen.
(Ich meine natürlich nur umwelttechnisch.)
Aber mal im Ernst: Ich weiß, Altern ist schwierig. Da stimmt wohl fast jede:r zu.
Zum Altern gehört nun nicht nur Falten anlegen, sondern auch das Altern vom Geiste. Warum das Altern ein gesellschaftlich zelebrierter Prozess ist, hat sich mir dabei noch nie wirklich erschlossen.
Für Kinder, okay, dort ist älter werden natürlich noch ein Highlight, aber bei Erwachsenen?
Da schmunzeln wir uns doch meistens was vor, oder?
Ist ein gereifter Geist erstrebenswert?
Viele Kinder und Jugendliche bekommen immer wieder ihre „Naivität“ ums Ohr geworfen.
Ich persönlich ziehe jede Naivität einem gereiften Geiste vor. Ist dieser gereifte Geist doch ein Hybrid sowohl von Erfolg als auch Misserfolg während Naivität dem Quell der Menschlichen Entwicklung entstammt. Eine Naive Weltansicht ist doch geprägt von ungefilterten Gedanken, quasi ein Abbild einer Utopie welche unbefleckt ist von den Ideologien des Alltags.
Betrachtet man die selbst gezeichneten Bilder eines Kindes findet man die wundersamsten Dinge. Wundersam? Warum eigentlich? Warum ist für uns das abstrakt was ein Kind für Selbstverständlich hält?
Unsere Wahrnehmung selbst erlaubt uns nicht, egal wie stark wir es versuchen, wieder so zu empfinden und denken wie ein Kind. Und ironischerweise wünschen wir uns doch auch öfter, dass Kinder sich doch etwas erwachsener Verhalten sollten. Ich denke Erwachsene sollten sich mehr bemühen wieder Kinder zu sein. Stellt euch vor diese Eigenschaft würde nicht im Alter verloren gehen. Wo wir jetzt wohl stehen würden?
Ich glaube nicht wir entscheiden uns keine Kinder mehr zu sein, sondern die gesellschaftliche Ordnung sagt es uns. Wieso sonst genießen wir teils immer noch das selbe, die Wärme einer herzlichen Umarmung, das Rascheln eines Kamins mit einer Tasse heiße Schokolade im Winter oder das Eis nach einem langen und heißen Sommertag.
Ich glaube wir sind immer noch alle Kinder, ob im Herzen oder im Verhalten.
Es ist nicht schlecht naiv zu sein. Es ist nicht schlecht ein Kind zu sein. Es ist nur blöd ein Besserwisser aus Ideologie zu sein.